Im Rahmen der Bekämpfung der Corona-Pandemie wurden auch zahlreiche für Apotheken geltende restriktive Abgabevorschriften für Arzneimittel im Rahmen der SARS-CoV-2-Arzneimittel-Versorgungsverordnung gelockert. Damit war es Apotheken möglich, die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung flexibel und damit im Sinne der Patientinnen und Patienten zu gestalten. Auch die kürzlich einer breiten Bevölkerungsschicht und der Politik bewusst gewordenen grassierenden Lieferengpässe konnten nur gemanagt werden, weil Apotheken auf Basis vorgenannter Verordnung viele Möglichkeiten hatten, flexibel zu reagieren. Diese seit fast drei Jahren geltenden Lockerungen haben gezeigt, dass zum Einen Entbürokratisierung in Deutschland möglich ist, zum Anderen Entbürokratisierung nicht mit höheren Ausgaben für die Gesetzlichen Krankenversicherungen einhergehen muss. Die vom Deutschen Arzneiprüfungsinstitut e.V. vorgelegten Analysen zur SARS-CoV-2 Arzneimittel-Versorgungsverordnung (Stand: 11.04.2022) zeigen deutlich, dass die im Rahmen vorgenannter Verordnung verankerten Maßnahmen in den Apotheken verantwortungsbewusst und mit konstantem Blick auf die Wirtschaftlichkeit ein- und umgesetzt wurden und werden.
Der nunmehr bekanntgewordene Referentenentwurf des Arzneimittel-Liefereng-passbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) von Gesund-heitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach zeigt aber leider alte Reflexe in der deutschen (Gesundheits-)Politik. Die seit drei Jahren bewährten flexiblen Vorgaben für die Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln sollen trotz weiter bestehender und sich zukünftig verschärfender Arzneimittel-Engpass-Krisen größtenteils zurückgenommen werden. Die Erleichterungen sollen nur noch für Arzneimittel gelten, die auf der Engpass-Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stehen.
Dazu Manfred Saar, Präsident der Apothekerkammer des Saarlandes: „Der jetzt vorgelegte Referentenentwurf spiegelt leider einen in Deutschland bekannten Mechanismus wider. Aus einer diffusen Angst, dass Freiheiten in welcher Form auch immer missbraucht werden könnten, werden flexible Regelungen, die sich in der Praxis bewährt haben und tatsächlich Bürokratieabbau bedeuten, wieder abgeschafft. Die zum 07. April 2023 auslaufende SARS-CoV-2 Arzneimittel-Versorgungsverordnung wird zur Folge haben, dass Patientinnen und Patienten nicht mehr wie gewohnt flexibel mit Arzneimitteln versorgt werden können.“
Die Engpass-Liste des BfArM enthält nur verschreibungspflichtige Präparate und bildet bei Weitem nicht die eigentliche Engpass-Situation in den Apotheken ab. Nach den derzeit geltenden Regelungen im Rahmen der SARS-CoV-2-Arzneimittel-Versorgungsverordnung dürfen Apotheken einen Präparatetausch bei allen Arzneimitteln durchführen. Dies war gerade bei Fieberarzneimitteln, die nicht verschreibungspflichtig sind, wichtig. Diese Möglichkeit läuft am 07. April aus. Nochmals Manfred Saar: „Leider kennt der Bürokratiewahnsinn in Deutschland keine Grenzen. Verordnet z.B. der Arzt eine 100er-Packung von einem Arzneimittel, sind aber nur 50er-Packungen lieferbar, so sehen die bis zum 07. April 2023 geltenden Regelungen vor, dass anstelle der verordneten 100er-Packung zwei 50er-Packungen abgegeben werden können. Mit Auslaufen der Sonderregelung wird dies nicht mehr möglich sein. Vielmehr muss der betroffene Patient sich in der Arztpraxis eine neue Verordnung über zwei 50er-Packungen ausstellen lassen. Wir laden Prof. Dr. Karl
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Lauterbach gerne in eine saarländische Apotheke ein, diesen Bürokratiewahnsinn betroffenen Patientinnen und Patienten vor Ort zu erklären. Und: Mit dem jetzt vorgelegten Referentenentwurf handelt der Minister seinen eigenen Gesetzen zuwider. Der erst kürzlich eingefügte § 220 Abs. 4 Satz 4 SGB V sieht unter anderem vor: „Zudem erarbeitet das Bundesministerium für Gesundheit Empfehlungen zum Bürokratieabbau im Gesundheitswesen……“. Davon sind wir momentan ganz weit weg.“

gez.
Manfred Saar
(Präsident)
Apothekerkammer des Saarlandes